Servicevertrieb – gute Geschäfte mit Bestandskunden

Von Hans-Peter Henkel

Zur langfristigen Stabilisierung des Gewinns sollte der Fokus auf Folgeumsätzen mit Bestandskunden einen mindestens gleich hohen Stellenwert besitzen wie das Neukundengeschäft. Sehr hilfreich sind Dienstleistungsverträge mit mehrjähriger Laufzeit, verkauft über einen spezialisierten Service Vertriebskanal und unterstützt durch ein EDV-System zur kostengünstigen Abwicklung.

Neue Kunden finden, das wird in vielen Vertriebsorganisationen belohnt. Verkäufer mit großem Neukundengeschäft gelten als besonders erfolgreich und werden entsprechend großzügig prämiert. Dabei wird die höhere Profitabilität des Bestandskundengeschäfts gerne übersehen und in Provisionsplänen nur ungenügend belohnt.
Dabei gibt es Untersuchungen, dass es nur eines Bruchteils des Aufwands bedarf, Folgegeschäft mit Bestandskunden zu erzeugen, als immer wieder neue Kunden finden zu müssen. Ansprechpartner und Entscheidungswege sind bekannt, ebenso Bedarf und Umsatzpotential, und ein Bestandskunde  hat sich ja schon einmal gegen alle anderen Mitbewerber entschieden.

»Es ist sechs bis sieben mal teurer
einen Neukunden zu gewinnen,
als einen Bestandskunden zu erhalten.«
Harvard Business Review

Angebote für Zubehör oder Erweiterungen für bereits gelieferte Waren oder Software ist prädestiniert für Folgegeschäft mit bekannten Kunden, gerne werden jedoch die zusätzlichen Vorteile des Verkaufs von Service-Leistungen übersehen: Durch Services bleibt man über Jahre im Kontakt mit dem Kunden, kann die Zufriedenheit mit dem seinerzeit gelieferten Produkt langfristig sicher stellen und erfährt vor dem Mitbewerb, wann es abgelöst werden soll.
Um Service aktiv verkaufen zu können, sind nach wie vor Serviceverträge oder Gewährleistungsverlängerungen  die bevorzugte Produktschiene. In vielen Branchen wird hier gerne abgewunken: „Nicht machbar, nicht möglich, wie soll das in meinem Geschäft gehen?“ In der IT-Industrie oder im Maschinenbau liegt auf der Hand, welche Services angeboten werden können. In anderen Branchen ist Kreativität gefragt. Beispiel  Architekten und Bauträger: Die Archivierung und Online-Abrufbarkeit der gesamten Baudokumentation sowie ein Nachtragsservice für nachträgliche Umbauten könnten z.B. als Subskription angeboten werden.
Aktiver Servicevertrieb benötigt dediziertes Vertriebspersonal, Service wird selten erfolgreich „nebenbei“ verkauft. Argumentation, Vertriebszyklen und die Anforderungen der Serviceleiter weichen zu sehr vom normalen Produktvertrieb ab. Die Komplexität kann ähnlich hoch sein, die Umsätze im 1. Jahr sind deutlich geringer, dafür aber viele Jahre anhaltend. Während im Produktvertrieb eher die „Hunter“ Persönlichkeiten gefordert sind, benötigt der Servicevertrieb eher die „Farmer“.
Neben der höheren Kundenbindung wirkt sich aktiv verkaufter Service auch stabilisierend auf die langfristige Geschäftsbilanz aus:  Produktgeschäft unterliegt den üblichen Marktschwankungen, Serviceverträge jedoch sorgen für langfristig stabilen Umsatz. Dadurch können Einbrüche im Produktgeschäft etwas abgemildert werden und auch in Krisenzeiten für eine positive Gesamtbilanz sorgen. Der Grundstein dafür muss jedoch schon frühzeitig gelegt werden. Durch nicht verrechenbare Gewährleistungszeiten kann es zu einer Phasenverschiebung von mehr als zwei Jahren gegenüber dem Produktumsatz kommen, bis sich die Investitionen in aktiven Servicevertrieb spürbar in der Geschäftsbilanz niederschlagen.
Für die notwendige Produktivität im Servicevertrieb sorgt ein speziell für Servicevertrieb konfiguriertes EDV-System. Alle Ansprechpartner sind hinterlegt und die gesamte Produkt- und Lieferhistorie der Bestandskunden ist mit allen Details abrufbereit:
   –  ausgelieferte Versions- und Revisionsstände von Hard- und Software,
   –  Seriennummer und Ausstattungsvarianten,
   –  Installationsdatum und Gewährleistungsablauf
   –  automatisiertes Angebotswesen
   –  automatisierte Leadlisten, gestaffelt nach Ablauf der Gewährleistung bzw. Auslieferdatum

Schnelles Handeln ist im Servicevertrieb gefragt, denn jeder Tag mit stabilem Produktbetrieb vergrößert die Frage „Brauche ich diesen Servicevertrag wirklich?“ . Ideal wäre natürlich, wenn mehrjähriger Service gleich zusammen mit dem Produkt verkauft werden könnte.

Häufig ist dies jedoch nicht erfolgreich:

  1. Der Produktverkäufer blendet das Thema Service aus, um den Produktverkauf zu beschleunigen.
  2. Kunden wollen sich erst bei Ende der Gewährleistung für weiteren Service entscheiden.
  3. Budgets für Service in zukünftigen Jahren stehen beim Ursprungsverkauf noch nicht bereit.

Also muss zur erfolgreichen Kundenansprache nachgearbeitet werden. Dazu erscheint die Einbindung eines Call Centers zur Vorqualifizierung des Kundeninteresses als Mittel der Wahl. Ein unterstützendes EDV-System sollte vorzugsweise für den Fernzugriff vorbereitet sein, um eine schnelle Übergabe des Qualifizierungsstandes vom Call Center zum Servicevertrieb zu ermöglichen, denn selten sitzt das Call Center nebenan.

»Eine Steigerung der
Kunden-Bindung um 5%
kann eine Steigerung des
Gewinns um 25 bis 100%
ermöglichen.«
Reichheld

Überhaupt sind Cloud-Lösungen vorzuziehen, denn der Vertrieb ist viel unterwegs und operiert häufig von Home Offices. Die beliebten Excel-Listen sind hier Gift für effiziente und kostengünstige Arbeitsabläufe.  Fernzugriff löst auch en passant das Zugangsproblem auf den letzten Aktualitäts-stand von Angeboten, Dokumenten und Kundenhistorien:  Der jeweils letzte Revisionsstand von Dokumenten und Historien steht immer allen gleichzeitig zur Verfügung.

Hans-Peter Henkel
ist als Dipl.-Ing. seit 25 Jahren in IT-Vertrieb, Marketing und Service tätig. Heute leitet er die e-SM GmbH, eine CRM-Beratung in Feldkirchen bei München.

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