Kundenerfolgsrechnung in der Molkereiwirtschaft

Von Ernst Fischer

Unternehmenserfolge sind eingesammelte Kundenwerte. Deren Erhaltung und Förderung gehört zu den vorrangigen Controlling-Aufgaben. Die dazu erforderliche Erfolgszurechnung stellt in der Molkereiwirtschaft eine gewisse Herausforderung dar. Grund sind die differenzierten Kunden-, Produkt- und Kostenstrukturen und der Kampf um die Regalflächen mit der Folge, dass nicht alle Produkte gewinnbringend verkauft werden können. Mehr Umsatz garantiert nicht zwangsläufig mehr Gewinn. Es kommt auf die Mischung an.

Eine wertorientierte Kundenstrategie erfordert eine gute rechnerische Unterstützung, und diese wird mehr zeigen müssen als Umsatzzahlen und Deckungsbeträge. Die Verkäufer müssen lernen, dass es gute und schlechte Umsätze gibt und dass Deckungsbeiträge erst ab einer bestimmten Höhe gewinnträchtig sind. Das Problem ist, dass diese Schwelle bei jedem Kunden und bei jedem Produkt anders ausgeprägt ist und sich fortlaufend verändert. Benötigt wird ein Rechenmodell, ausgerichtet auf eine wettbewerbsfähige Anlagenauslastung, mit flexibel an Preisveränderungen anpassbaren standardisierten Kostensätzen und Einbeziehung der aktuellen Verkaufsdaten.

Das Rechenwerk soll die permanente Verbesserung einzelner Kundenrenditen unterstützen. Dazu müssen alle Wertelemente in die Kundenebene gestellt werden und dort auch die einzelnen Produktergebnisse zeigen. Die Aussage, wie lukrativ ein Kunde ist, genügt nicht, es muss auch ersichtlich sein, wie dies aus einzelnen Produktwertigkeiten entsteht. Zudem ist die Einbindung in das zeitkritische Verkaufs-Tagesgeschäft erforderlich, und dort sind Bedienerfreundlichkeit und Zugriffsgeschwindigkeit ausschlaggebend. Die meisten in der Praxis anzutreffenden EDV-Lösungen sind nicht auf diese Herausforderung ausgerichtet. Deshalb habe ich eine eigene Excel-basierte Kundenerfolgsrechnung geschaffen, unterlegt mit einer vollständigen Produktkalkulation nach Voll- und Teilkosten. Die Anfänge zu dieser Idee reichen einige Jahrzehnte zurück, als der Autor in einer großen Molkerei mit der Einrichtung einer Kostenrechnung beschäftigt war. Damals gab es noch keinen PC und kein Excel, aber die prägende Aussage eines gewinnorientierten Unternehmers: „Wir haben einen modernen Betrieb, gute Leute und gute Produkte, aber zu wenig Gewinn. Wir müssen wissen, wo das Geld herkommt und wo wir ansetzen müssen, um die Ergebnisse zu verbessern. Sie haben ein halbes Jahr Zeit für die Antwort“. Damit war die Herausforderung gut formuliert und mit dem erforderlichen Nachdruck untermauert. Im Kostenbereich wurde daraufhin einiges aufgedeckt. Der große Wurf gelang aber erst durch den Schulterschluss mit dem Verkaufsleiter.

Wir haben uns die Verkaufszahlen gemeinsam durchgesehen und uns die Frage gestellt, wie weit die einzelnen Kundensortimente zufällig oder gezielt zustande gekommen sind. Diese spezielle Fragestellung war zunächst völlig neu, hat dann aber alsbald zu ersten Versuchen geführt, im Rahmen der Möglichkeiten steuernd auf diese Strukturen einzuwirken. Der Erfolg war durchschlagend. Das liegt daran, dass der Gewinn nur ein kleines Schwänzchen am großen Wertekörper ist, und wenn Sie dessen innere Struktur ein wenig ändern, kann die Wirkung groß sein.

Aus dieser Erfahrung heraus raten wir den Controllern, sich intensiv darin zu üben, die Produkte aus dem Kopf heraus und die Kunden hinein zu bekommen. Verkaufen heißt herauszufinden, was der Kunde braucht und wie wir ihm diesen Bedarf am besten erfüllen. Wo hat er Luft, wo ist es eng, usw. Ein Molkereileiter sagt, wir setzen uns einmal jährlich in Ruhe mit einzelnen Kunden zusammen und überlegen, was wir im nächsten Jahr gemeinsam erreichen können. Da müssen wir Anreize bieten, haben aber auch Chancen, gezielt zu bremsen. Verkaufen wie die Weltmeister ist passé. Es kommt auf die Wertigkeit des Produktmix beim Kunden an. Die Details muss der Verkäufer im Kopf haben, zumindest ungefähr die Größenordnungen und Zusammenhänge nach untenstehendem Schema (siehe Abbildung).

Eine Auswertung zeigt dann den Stand des jeweils letzten Monats und im Verlauf einige Vollkostenergebnisse der Vergangenheit. Negativergebnisse sind nicht ungewöhnlich und tragbar, solange die DB-Summe positiv ist, was in der Regel der Fall ist. Kunden werden nicht in Frage gestellt. Es geht weniger um das Ergebnis selbst, sondern darum, dieses zu verbessern bzw. hoch zu halten. Weniger Verlust ist auch ein Gewinn. Ein Wechsel auf Kundengruppen ist möglich, falls die Gruppe die Verhandlungsebene ist – auch eine Simulationsroutine. In der Praxis hat es sich herausgestellt, dass schon viel gewonnen ist, wenn die Verkäufer auf ihren PC auf diese Kundenbilder zugreifen können. Der Controller kopiert ihnen diese monatlich, bei Bedarf öfter, auf ihre PC. Vorgeschaltet ist die für den jeweiligen Verkäufer relevante Kundenliste, aus der er einen beliebigen Kunden auswählt und in zwei Sekunden die Auswertung im Bildschirm hat. Die Basisversion dieser Kalkulationstabelle ist auf 5.000 Kunden und 1.000 Artikel erweiterungsfähig ausgerichtet. Solche Dimensionen schafft Excel inzwischen rasant, und die üblichen Vorurteile gegen Excel sind zeitlich überholt.

Traditionell werden die Preise als das vorrangige Steuerungsinstrument betrachtet. In unserem Schema haben wir diese gar nicht erst markiert. Preiserhöhungen hätten zwar eine durchschlagende Ergebniswirkung, stehen aber nicht im Vordergrund. In dieser Branche fragen die Kunden längst nicht mehr, was etwas kostet, sondern nur noch, ob bestimmte Mengen zu einem genannten Preis geliefert werden können oder nicht. Oftmals hat der Verkäufer keine eigentliche Wahl, und die Einkäufer wissen dies natürlich; sie werden speziell darauf geschult. Höchste Zeit, dass die Verkäufer ihrerseits die Möglichkeiten, und seien sie auch gering, für solche Situationen auszuschöpfen wissen. Wie ist es z.B. möglich, dass sich zwei gleichartig strukturierte Unternehmen im Ergebnis so eklatant unterscheiden, dass der eine Gewinne realisiert und der andere monatlich 1 Mio. Euro Verlust schreibt? Sie können wetten, dass der zweite seine – zwangsläufig schlechtere – Kundenwertstruktur nicht kennt. Dem Ersten wäre zu raten, niemals zu vergessen, dass jeder Erfolg von Menschen kommt und Zahlen immer nur eine ergänzende Hilfsgröße sein können.

Ernst Fischer
(* 1943) Molkereimeister, Betriebswirt, Labor- und Betriebsleiter, seit 38 Jahren Beratung und Kostenrechnung für Molkereien – fischer.konzept@t-online.de