Was hat erfolgreicher Vertrieb mit guter Führung zu tun?

Von Hermann Häfele

„Ganzheitlich“ denkende mittelständische Unternehmer und Unternehmerinnen wissen oder spüren es bereits: Ohne gute Führung findet Vertrieb nur mit „angezogener Handbremse“ statt. Was aber ist erfolgreicher Vertrieb? Wie sieht „gute“ Führung aus? Und wie lässt sich beides effektiv miteinander verknüpfen? Diesen Fragen wollen wir nachgehen.

Eine grundsätzliche Weichenstellung, die jedes Unternehmen für sich vornehmen muss, ist die des Fokus: Hat es einen Preis-/Kosten-, Produkt-, Verkaufs- oder Kundenfokus? Mit allen kann man Geld verdienen und es geht hier nicht darum, zu bewerten. Es ist einfach eine Grundsatzentscheidung, die allerdings jeweils weitreichende Konsequenzen hat. Im Folgenden geht es um Ansätze für Unternehmen, die sich bewusst für einen klaren Kundenfokus entschieden haben.
 „Schlagworte“ hören wir oft genug… eine Nachfrage tut Not, um Zusammenhänge herzustellen.
Ein magisches Zauberwort aus der Welt des Vertriebes heißt „genau“! Nutzen wir es also und fragen „Was genau bedeutet, erfolgreicher Vertrieb‘“? Erfolg bedeutet, dass etwas aus etwas anderem er-folgt. Häufig wird dabei sofort an Umsatz, Kundenanzahl, Gewinnspanne und ähnliches gedacht. Wie ist das bei Ihnen? Was genau bedeutet „erfolgreicher Vertrieb“ für Sie?

Engpass-Konzentrierte Strategie und Kundennutzen
Nach meiner Einschätzung gibt es nur wenige Strategieansätze, die so mächtig und kraftvoll sind wie die EKS, die Wolfgang Mewes vor gut 40 Jahren zu entwickeln begann. In der Philosophie dieser Engpass-Konzentrierten Strategie (EKS) besteht Erfolg zunächst darin, dass es gelingt, ganz genau (das Zauberwort!) den Kundennutzen der Zielgruppe zu treffen. Es ist gelungen, die Bedürfnisse des (potentiellen) Kunden genau zu verstehen und/oder diese gemeinsam mit ihm zu „entwickeln“.
Die Leistung eines guten Vertrieblers besteht darin, den Kunden zu verstehen, Vertrauen zu schaffen und nach der Bedürfnisermittlung festzustellen, ob er überhaupt ein dazu passendes Produkt oder eine Dienstleistung anbieten oder dafür konzipieren kann.
Anders herum betrachtet: Gehen zunächst evtl. Umsatz und Ergebnis verloren, wenn dies nicht der Fall ist? Ja! Wird es aber ggf. später einmal zu einem Geschäft mit diesem potentiellen Kunden kommen oder er evtl. als starker Empfehlungsgeber auftreten? Auch Ja!
Der Vertriebler kann sich auch ohne unmittelbaren Verkaufserfolg „freuen“, denn er hat wieder über seine Zielgruppe und ihre Bedürfnisse dazugelernt. Als „lernen-wollender Berater“ ist also die Herangehensweise eine völlig andere.
Und wenn es andererseits „passt“, wird das Geschäft zustande kommen, eben gerade weil er oder sie nach Aufbau der Vertrauensbasis zuerst die genauen Bedürfnisse herausgearbeitet hat.
Wenn so also bedürfnis- und kundenorientierter Vertrieb aussieht, wie kann dieser dann durch eine gute Führung unterstützt und gefördert werden?
Wie beim Vertrieb oben soll hier zunächst eine Definition und Rahmensetzung gegeben werden; es gilt, sich dem Begriff von zwei Seiten her zu nähern – zunächst von der Wortwurzel her.

Führung und Selbstführung
„Führen“ (übrigens ebenso das Wort „fahren“) leitet sich aus dem germanischen ,,faran“ ab, was so viel bedeutet wie „sich bewegen“ oder in „Bewegung setzen“.
Ich kenne „Führungskräfte“ (besser formale Vorgesetzte), bei denen sich rein gar nichts mehr bewegt und um die herum sich in der Folge allgemeiner Frust breit macht. In einem großen Unternehmen, für das ich lange tätig war, sprach man dann häufig von der so genannten „Lehm- und Lähmschicht“.
Kennen Sie sowas auch?
Aber nähern wir uns noch von einer zweiten Seite: Was oder wer wird denn da (hoffentlich) „geführt“?  Führung sollte immer als Dreiklang verstanden werden:

  • Selbstführung,
  • Führung des Unternehmens bzw.  des eigenen  Verantwortungsbereichs,
  • Führung der Menschen, die darin ihren Beitrag leisten.

Alle drei Aspekte sind eigene Aufsätze wert, an dieser Stelle nur in Kurzfassung:
Nur wer sich als Unternehmer bzw. Führungskraft konsequent um seine Selbstführung kümmert, lernt, immer wieder selbstkritisch die eigene Position zu hinterfragen und festzustellen, ob er oder sie noch gut auf dem roten Faden des eigenen Lebens unterwegs ist. Dadurch wird dann auch Ausstrahlung und authentisches, konstruktives Führungsverhalten entwickelt.
Die Konsequenz daraus, nämlich Führen durch Vorbild, hat nach neurowissenschaftlichen Erkenntnissen enorm positive Auswirkungen auf die Motivation der Mitarbeiter. Selbstführung ist eine permanente Aufgabe, denn Ihr Unternehmen kann Ihnen schnell über den Kopf wachsen, wenn Sie selbst nicht mitwachsen.
Bei strategischen Fragen – Führung des eigenen Unternehmens bzw. des eigenen Verantwortungsbereichs – ist wieder die bereits genannte EKS als Werkzeug besonders hilfreich. Dort spricht man von „Magnetischer Positionierung“ und geht davon aus, dass ein Unternehmen falsch positioniert ist, wenn die Kunden ausbleiben (!). Dies weist uns die richtige Richtung.
Warum ganz genau (wieder das Zauberwort!) sollte jemand zu mir kommen wollen? Was ist der zwingende Nutzen, den wir bieten? Und wem genau (Zielgruppe) wollen wir damit als Problemlöser dienen? Das sind die mächtigen Leitfragen, die wir uns stellen sollten.

Die richtigen Leute an Bord holen
Im dritten Aspekt geht es um Menschen- bzw. „Mitarbeiter“-Führung. Woran genau sollen sie denn mitarbeiten? Gehen wir einmal optimistisch davon aus, dass im Rahmen der Visions- und Strategiefindung, also der Positionierung, ausreichend darüber nachgedacht wurde.
Welche „Art“ von Mitarbeitern brauche ich, um das Erarbeitete umzusetzen?
Der mit Abstand erfolgversprechendste Ansatz ist, Menschen stärkenorientiert einzusetzen. Wenn es bereits in der Rekrutierungsphase gelingt, die „richtigen“ Leute an Bord zu holen, umso besser. Doch in einem konsequenten Veränderungsmanagement kann diese Strategie erstaunliche Energien im Unternehmen freisetzen. Sie funktioniert nicht immer und mit jedem, aber lohnt sich in den meisten Fällen und auf jeden Fall für das Gesamtunternehmen; beispielsweise beim Einkäufer, der – in den Vertrieb versetzt – förmlich „aufblüht“ und so aus sich herausgeht, dass er nicht wiederzuerkennen ist. Oder umgekehrt bei der Mitarbeiterin im Außendienst, die immer wegen schlechter Verkaufszahlen kritisiert wurde und nun auf einer Stelle im Innendienst für den Gesamtprozess viel zufriedener und effektiver arbeiten kann, weil ihr diese Aufgabe viel mehr liegt. Führung heißt also, „sich selbst zu bewegen“ und „in Bewegung zu setzen“.

Damit schließt sich der Kreis. Wenn ein Unternehmen so geführt („bewegt“) – wird, d.h. …

  • mit Stärkenorientierung: die „richtigen“ Menschen im unmittelbaren Verkauf,
  • aber auch hin zu einem Gesamtbewusstsein im Unternehmen, dass alle direkt oder indirekt immer auch etwas mit Vertrieb zu tun haben,

… wenn das alles also „ausgestrahlt“ wird, dann ist – um es heiter auszudrücken – erfolgreicher Vertrieb gar nicht mehr zu vermeiden.

Umsatz, Ergebnis, zufriedene Wunschkunden, engagierte Mitarbeiter – all das, was hier bewusst nicht an vorderster Stelle genannt wurde – es kommt dann fast wie von selbst und viel kraftvoller als erwartet. Erfolgreicher Vertrieb „er-folgt“ dann aus guter Führung.
Eine rhetorische Frage ist, wie wohl die erläuterten Zusammenhänge die Motivation auf allen Ebenen des Unternehmens beeinflussen können.
Übrigens: „Motivation“ kommt vom lateinischen „movere“. Und das bedeutet – nun wissen wir’s schon – ebenfalls „bewegen“!

Hermann Häfele
26 Jahre Praxiserfahrung. Experte für Roter-Faden-Findung in Positionierung, Führung, Kommunikation u. Vertrieb. h.haefele@roter-faden-consulting.de