Das Eco-System der Unternehmer: Verkauf an Klein- und Mittelstand

Von Sascha Kronberg

Natürlich scheint es unendlich leichter an einen Unternehmer zu verkaufen als an ein großes Unternehmen – jedoch nicht immer. In vielerlei Hinsicht ist es sogar schwieriger an ein vom Inhaber geführtes Unternehmen zu verkaufen als an eine Aktiengesellschaft. Der Vorteil jedoch ist, der Mittelstand ist klar in der Mehrzahl, und somit ist die Summe des Verkaufspotenzials ungemein größer.

Die Vorteile und Nachteile von großen Unternehmen sind schnell erklärt. Ein großes Unternehmen hat in der Regel genug Geld sich fast jedes Produkt zu leisten – ausgenommen eigener Kernkraftwerke (es sei denn es handelt sich um einen Stromerzeuger oder Richard Branson). Andererseits sind die eigentlichen Entscheider sehr viel schwieriger auszumachen. Häufig gibt es mehr Mitverantwortliche als wirkliche Entscheider, welche auch noch selten bis nie anzutreffen sind. Diese leisten sich den Luxus mehrerer Assistenten. Wie eine Zwiebel haben diese sich Strukturen geschaffen, um Verkaufsprofis die Arbeit schwer bis unmöglich zu machen. Letztendlich sind Verkäufer auch eher gut im Verkauf und selten wirklich gut in der Recherche und Ansprache im Vorfeld.
Auch sind die Kaufprozesse in einem großen Unternehmen langwierig. Dafür spielt kaum ein Vorstand oder Geschäftsführer mit seinem eigenen Geld und riskiert lediglich einen geringeren Bonus am Jahresende. Also wenn ich schon mal auf einer einsamen Insel mit einem DAX-Vorstand gestrandet bin, macht sich der eigentliche Verkauf einfacher. Nur an einem Kugelschreiber fehlt es dann sicher. Irgendwas ist ja immer.

Unterschiede, die auf der Hand liegen
Ein mittelständisches oder vom Inhaber selbst geführtes Unternehmen hat üblicherweise flache Hierarchien. In der Regel gibt es bei Unternehmen bis zu einer Größe von 50 Mitarbeitern auch nur einen Entscheider – den Inhaber und Geschäftsführer. Der Einfachheit halber nennen wir diesen schlicht ‚Unternehmer‘. Leider spielen uns die einfache Identifikation und flacheren Hierarchien nur bedingt in die Karten. Der Unternehmer ist zwar omnipräsent und einfacher zu erreichen – doch leider auch für jeden Wettbewerber und Anbieter aller möglichen sinnvollen wie sinnfreien Waren und Dienstleistungen. Ein unangekündigtes freundliches Telefonat oder ein „mal ungefragt vorbei schauen“ wird oft mit einem Schwepps-Ge-sicht quittiert. Auch hier muss man erst das Wesen und die Welt des Unternehmers verstehen, um tatsächlich die Gelegenheit zu haben, die sinnvollen Waren oder Dienstleistungen vorzustellen.

Die Welt des Unternehmers
Ein Unternehmer ist meist ein gelernter Spezialist auf seinem Gebiet. Er hat vielleicht als Arzt angefangen und führt heute seine eigene Praxis. Er hat sich vielleicht durch die Meisterprüfung gequält und führt heute ein Dachdecker-Unternehmen. Ein Zahnarzt kennt alle gängigen Wege, um einen kranken Wurzelkanal zu behandeln. Er ist jedoch wahrscheinlich kein begnadeter Buchhalter, Marketingexperte, IT-Spezialist oder kennt sich mit Arbeitsrecht aus. Ein Unternehmer wird daher für viele notwendige Produkte oder Dienstleistungen Andere beauftragen; weil er muss. Genau wie wir bei Zahnschmerzen den Zahnarzt aufsuchen, nachdem die übliche Bourbon-Aspirin-Therapie nicht angeschlagen hat und selten im gesunden Zustand – so trifft ein selbstständiger Unternehmer oft nur dann die Entscheidung Investitionen zu tätigen oder Dienstleistungen auszugliedern, wenn es entweder weh tut oder diese unabdingbar sind.
Im Laufe der Zeit, wenn die Firma des Unternehmers wächst, wird dieser Personal einstellen, das bestimmte Bereiche abdeckt. Er stellt weitere Personen ein, die das tatsächliche Kerngeschäft ausführen sollen. Ein Klempner-Meister beschäftigt also ein Team von Klempnern, die zu den Kunden fahren, während der Unternehmer alle Hände voll zu tun hat das Unternehmen über Wasser zu halten.
Wie auch immer sich das Unternehmen entwickelt, er wird immer denken wie ein Klempner, ein Zahnarzt oder ein Rechtsanwalt.
Im Grunde ist die Struktur eines kleineren Betriebes recht einfach. Wo ein Konzern in Matrixstrukturen und auch Organisationsdiagrammen denkt, da hat ein kleineres Unternehmen nur zwei Ebenen im Geschäftsalltag: den Chef und seine Angestellten.

Wahre Entscheider des Entscheiders
Nun gut, unser frisch gebackener Verkäufer-Kollege aus der Verkäufer-Akademie kennt sein Produkt und die USP in- und auswendig und hat die perfekte PowerPoint-Präsentation. Er kennt die Eigenheiten der Mittelständler und Unternehmer und hat sich mit der Welt und Denkweise seiner Zielgruppe vertraut gemacht. Eigentlich kann nichts schief gehen. Das tut es dann aber meistens doch.
In einem Verkaufsgespräch zwischen Unternehmer und Anbieter wird eine entscheidende Komponente nicht berücksichtigt: Die stillen Entscheider im Hintergrund. Man nennt diese auch Familie, Freunde und Vertraute. So wie wir die Entscheidung der neuen Farbe unseres neuen Cabrios gerne der Ehefrau überlassen, oder bei der Wahl der Motorisierung einen Freund ins Vertrauen ziehen, so hat auch ein Unternehmer eine Reihe von Personen, die eine Kaufentscheidung direkt oder indirekt beeinflussen.
Ich habe mal erlebt, wie ein Freund mich mitnahm, um eine teure Stereoanlage auszuwählen und zu kaufen. Der freundliche Verkäufer im Fachgeschäft wusste sehr genau, dass wenn er mich für sein Produkt gewinnen kann, ich einen positiven Einfluss auf die direkte Kaufentscheidung nehme, oder mit meinem verhaltenen Veto eine Kaufentscheidung, wenn auch nicht immer blockieren, jedoch verzögern kann.
Während man bei vielen Unternehmen den Fach- und Budget-Entscheider braucht, so benötigt man beim Mittelstand den Unternehmer und Eigentümer, sowie die stillen Entscheider im Hintergrund.

Das Leben im Risiko
Das Leben eines Unternehmers ist das eines Mannes, der ein Risiko eingeht und von jetzt auf gleich alles verlieren kann. Fehlentscheidungen haben oftmals verheerende Auswirkungen auf sein Geschäft – und somit auch auf seine Existenz. Der Unternehmer riskiert sein Geld und sein Leben, um zu überleben und Geld zu verdienen. Unternehmer sind grundsätzlich vorsichtig. Einer der häufigsten Einwände basiert auf Vertrauen und den Wert der angebotenen Dienstleistung.  Sie kaufen am liebsten von Menschen, die sie kennen und denen sie ver-trauen. Jeder Kauf birgt ein Element der Gewissheit, dass sie den gleichen Service bekommen, den sie auch anderen Vertrauten bieten. Mittelständler sind preissensibel, da einerseits ihr Budget und  Kreditlimit nicht unendlich ist. Im Grunde genommen sind ihre Kaufentscheidungen ähnlich wie bei Privatkunden.

Wie kontaktiere ich Unternehmer?
Der erste Kontakt zum Unternehmer oder Mittelständler sollte nicht den Verkauf als Grundlage haben. Das Ziel des ersten Kontaktes sollte eher in der Informationsbeschaffung und Bedarfsanalyse liegen. Mittelständler haben oft keine aufpolierte Webseite, um aktuelle Informationen über den möglichen Bedarf vorab zu sammeln.
Durch Erfahrung mit anderen ähnlichen Kunden kann man zwar einen gewissen Bedarf und direkte Umstände annehmen, indem wir Branchen, Ort, Anzahl der Mitarbeiter und Umsatz vergleichen.
Achtung – man kann niemals den Entscheidungsprozess und das Ergebnis durch Annahmen voraussagen!

Schritt 1: Rufen Sie den Inhaber oder Unternehmer an, beweisen Sie Persönlichkeit und ein rechtmäßiges Interesse an seiner Situation. Wecken Sie Interesse und eruieren Sie einen möglichen Bedarf. Bauen Sie eine Beziehung zu Ihrem Gegenüber am Telefon auf und vereinbaren Sie einen persönlichen Termin bei ihm.
Sie können natürlich einen Bedarf am Telefon besprechen, jedoch sollten Sie niemals versuchen, am Telefon einen Verkaufsabschluss zu erzwingen.

Schritt 2: Senden Sie Ihrem Gesprächspartner eine Terminbestätigung per E-Mail oder per Post. Senden Sie keine PowerPoint-Präsentationen oder etwa Broschüren. Weitere Infos können Sie eher zum Termin bringen. Oft dienen Broschüren der allgemeinen Produktpräsentation; der Mehrwert ist für den Zielkunden nicht sofort erkennbar.

Schritt 3: Während des Kundentermins besteht die Hauptaufgabe darin, eine gemeinsame Ebene mit dem möglichen Kunden zu finden. Es ist ungemein wichtig, eine persönliche Beziehung aufzubauen; der Kunde kauft Sie in erster Linie, dann erst das Produkt oder Ihre Dienstleistungen. Denken Sie lokal – in der Welt des Unternehmers. Ändern Sie Ihre Präsentation spontan je nach Situation, an Hand seines möglichen Kaufmotives. Behandeln Sie mögliche typische Einwände eines Unternehmers am Besten vorab, und bieten Sie ein weiteres Gespräch gemeinsam mit den stillen Mitentscheidern an – der Familie und Bekannten.

Tipp 1: Denken Sie an die Grundprinzipien von Mögen, Glauben und Vertrauen. Ein möglicher Kunde muss erst seinen Berater mögen, bevor er dessen Worte wirklich glaubt und ihm vertraut. Ohne Mögen bekommen Sie kein Vertrauen. Dieses gilt speziell für den Klein- und Mittelstand. Oder würden Sie von jemandem ein € 50.000 Auto kaufen, den Sie nicht mögen?

Tipp 2: Kleiden Sie sich entsprechend Ihrer Zielgruppe. Verzichten Sie auf Ihren Armani-Anzug wenn Sie zum Klempner fahren. Seien Sie geschäftsmäßig gekleidet, ohne über das Ziel hinaus zu schießen. Spiegeln Sie den Kunden auch in Ihrer Kleidungswahl so gut wie möglich. Sie brauchen keinen Blaumann zu tragen, jedoch reicht oft einfachere Kleidung, um nicht zu protzen.

Tipp 3: Zeigen Sie außergewöhnlichen Service vor, während, und nach dem Kauf. Bleiben Sie jederzeit erreichbar. Meiden Sie Anrufe auch (oder gerade) dann nicht, wenn es zu Problemen oder Konfrontation kommt.

Ihre beste Visitenkarte und persönliche Werbung ist das, was Ihr Kunde seinen Bekannten und Geschäftspartnern über Sie erzählt. Speziell kleinere Unternehmen tendieren dazu Empfehlungen auszusprechen, oder Empfehlungen von Vertrauten und Bekannten anzunehmen. Kleinunternehmer sind stark mit Ihrem direkten Umfeld verbunden. Denken Sie lokal, nicht in Regionen. Sie profitieren dabei von echter Mund-zu-Mund-Propaganda, die Ihnen die Ansprache weiterer möglicher Kunden in der lokalen Region vereinfacht. Ihre Kunden reden über Sie; speziell im negativen Fall erzählen Sie allen, die nicht bei 3 auf dem Baum sind, wenn Sie sich ungerecht behandelt fühlen.
Sehen Sie es als die Herausforderung und als die Krönung Ihrer Verkäufer-Laufbahn an, wenn Ihr guter Ruf Ihnen voraus eilt. Ihr Bankkonto freut sich sicher mit Ihnen.

Das Eco-System des Klein- und Mittelstandes. Denken Sie lokal!
Verkauf ist ein Zahlenspiel. Je mehr Sie oben rein tun, desto mehr wird unten rauskommen. Natürlich reden wir hier von qualifizierten Kontakten, deren Bedarf erst noch analysiert werden muss.
Sollten Sie ein Verkaufsgebiet betreuen, können Sie natürlich alle möglichen Kunden einzeln angehen, jedoch empfiehlt es sich ein Netzwerk in seinem Gebiet aufzubauen. Besuchen Sie kleine Veranstaltungen, Eröffnungen und Business- Treffen, um eine größere Gruppe auf einmal anzusprechen.
Jedes einzelne Verkaufsgebiet hat sogenannte Multiplikatoren, meist Orte, wo sich die Unternehmer der Region nach der Arbeit treffen. Restaurants, Cafés oder auch Friseurstudios. Nutzen Sie diese, indem Sie eine Beziehung zu den Inhabern aufbauen und Ihnen dort Ihr Produkt vorstellen.
Noch wichtiger ist: Werden Sie Teil des lokalen Eco-Systems und gehen Sie dort mit Ihren Freunden essen, kaufen Sie selbst in Ihrem Gebiet ein, und empfehlen Sie  (an) Freunde und Bekannte.

Als Teil des lokalen Eco-Systems bewahren Sie nicht nur Kunden, sondern legen das Fundament für eine lang sprudelnde Pipeline von Empfehlungen.

Sascha Kronberg
startete vor 15 Jahren klassisch im Außendienst, wechselte zum Tele-Sales, ist seit 5 Jahren im Management und leitet für ReachLocal mehrere Verkaufsbüros.

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